Die Singletrail-Tour vom Grubigstein zum Blindsee gilt unter Mountainbikern als echtes Schmankerl. Findet man in der Region an der Zugspitze doch alles, was man für ein gelungenes Trailabenteuer so braucht: ein sich im Schwierigkeitsgrad langsam steigernder, flowiger Streckenverlauf, die ein oder andere anspruchsvolle Schlüsselstelle und eine imposante Kulisse. Und als Grande Finale der von den Bergmassiven der Mieminger Kette eingebettete, smaragdgrüne Blindsee. Wir haben den Blindsee-Trail mit den E-MTB unter die Räder genommen.

Video von Holger Thalmann / Bericht von Marc Burger

In aller Herrgottsfrühe starten wir Richtung Lermoos. Es ist kühl und neblig. Noch. Der Wetterbericht hat einen goldenen Herbsttag versprochen. Und den wollen wir nutzen, um den legendären Blindseetrail unter die Reifen zu nehmen. Im Vorfeld fiel es mir schwer, mich über den Trail zu informieren, denn die Einstufung der Schwierigkeit reicht von “S1” bis “S3”. Manche bezeichnen den seit 2015 vom Land Tirol offiziell zum Singletrail für Mountainbiker freigegebenen Weg als flowig und nie wirklich schwierig. Andere raunen ehrfurchtsvoll von einem verblockten Geröll-Massaker à la Gardasee. Das Fazit vorweg: die Wahrheit liegt in der goldenen Mitte.

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

DAS FRÜHE AUFSTEHEN WIRD BELOHNT

Als wir in Lermoos unterhalb der Grubigsteinbahn ankommen, verscheucht die aufgehende Sonne nicht nur den Nebel, sondern auch die Bedenken. Unsere eBikes scharren schon mit den Hufen. Und ich merke, dass ich endlich aufsteigen und fahren will. Der Anblick der Zugspitze ist immer wieder imposant – auch oder gerade von Lermoos aus. Sollte die Tiroler Ansicht auf Deutschlands höchsten Berg tatsächlich die schönere sein?

Egal. Die Knieschützer an, Helm und Handschuhe an und los. Wer will, kann die Grubigsteinbahn nehmen. Aber auch die Auffahrt über die Serpentinenstrecke ist nicht schwierig, der Weg nie wirklich steil. Auf dem Weg nach oben haben wir Gelegenheit, das Bergpanorama der Zugspitze-Arena zu bestaunen. Es ist nichts los an diesem Morgen. Auf dem Weg zur Mittelstation geht geht es in einen schmalen Forstweg über, welcher mehrmals eine Skiabfahrt kreuzt. Die letzten 100 Höhenmeter von der Bergstation zur Grubigalm (1.712m) sind beschwerlich – trotz eBikes. Aber nicht wegen der Steigung. Sondern der Forstweg ist aufgerissen und präsentiert sich als eine einzige Baustelle. Wir suchen eine Linie über die Erdhügel. Und beschließen, Richtung Skipiste einzubiegen und über die Wiese zu fahren. Eine gute Idee. Denn jetzt liegt sie zentral vor uns mit freiem Blick: die Zugspitze. Wir toben uns ein wenig auf der Skipiste aus und freuen uns über die ersten Sonnenstrahlen.

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

DER TRAIL STARTET SEHR FLOWIG

Nach ein paar obligatorisch “eBike starring at Zugspitze” Bildern, wedeln wir in großen Schwüngen die Skipiste hinab, durch einen bereits sehr herbstlichen Hain und stoßen dann auf den Traileinstieg zum Blindseetrail: der Wegweiser für den Fußweg zum Fernpass. Darunter ein Schild des DAV, der an “Alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit” erinnert. Na, das lässt mich ganz kurz einen Klettersteig vermuten – aber weit gefehlt: die Strecke, die nun folgt, ist sehr flowig, durchweg S0 und S1. Es geht sehr verspielt in kurzem Auf und Ab durch einen Bergwald. Gegen Ende kommt noch ein kurzer Anstieg durch ein paar engere Serpentinen, die aber allesamt ohne Hinterradversetzen zu meistern sind.

Kaum lichtet sich der Wald, verändert sich der Trail: er wird technischer. Nun ist eine zentrale Aktivposition auf dem Bike gefragt. Der Weg wird schmaler, enger und steiniger. Ein paar Stufen und etwas Geröll fordern jetzt schon etwas mehr Einsatz. Trotzdem: so richtig schwierig ist das auch nicht. Ich frage mich, wo die S3 Stelle sein soll. Der Trail ist in diesem Abschnitt S1 bis schwacher S2. Alle Stufen sind durchweg überrollbar. Einzig und allein das lose Geröll in den Erosionsfurchen kann den ungeübten Biker etwas erschrecken. Wenn es länger nicht geregnet hat, ist das staubige Gesteinsgeröll sehr rutschig. Die Reifen finden sehr wenig Grip. Laufenlassen und überrollen der Hindernisse ist besser als abbremsen und umfahren. Die Linienwahl ist für unsere E-AllMountains kein Problem. 

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

LANGSAM ABER STETIG WIRD ES RUPPIGER

Der Trail entwickelt eine ganz eigene Choreografie: er nimmt stetig und fast unmerklich an Schwierigkeit zu. Gleichzeitig belohnt er aber immer wieder mit der Überwindung kleiner Schlüsselstellen. So pusht der Trail einen weiter voran und schafft gleichzeitig Vertrauen ins eigene Können. Die Kanten und Absätze werden höher. Die Furchen und Rinnen tiefer und das Geröll grober. Ab und an gibt es natürliche S-Anlieger, durch die man immer lässiger hindurchsurft. Der Trail ist wie ein Lehrstück in Sachen positiver Lernkurve. Nach dem Kreuz am Wegesrand, welches zu einem Stopp und den Blick über den Blindsee einlädt, stoßen wir auf ein unüberwindbares Hinderniss. Ist das die besagte S3 Stelle? Nein. Ein Bagger steht mitten in der Erosionsrinne! Der Trail wird hier etwas begradigt, da er vor allem bei schlechter Witterung tückisch werden kann…

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

 

DER WASSERFALL MARKIERT DIE STEILSTE STELLE

Der Trail wird nach dieser Begegnung mit der gelben Baumaschine schroff und verblockt. Ein Warnschild ermahnt abzusteigen. Dies ist die Passage am Wasserfall. Das Gefälle beträgt hier bis zu 24%, der Weg ist teils ausgesetzt und bricht jäh nach links bergab. Der Streckenverlauf ist jedoch gut einsehbar und wir beschließen, auch dieses Stück zu fahren. Im Steilstück liegt blanker Fels. Doch es ist trocken und die Reifen haben genügend Grip. Wir meistern diese Schlüsselstelle und sind uns einig, dass dies kein “S3” sondern eine “gute S2” ist.

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

Nach der Steilpassage am Wasserfall kommen wir zum Aussichtspunkt an der Spitzkehre. Auch hier machen wir Stopp und genießen die Aussicht auf den Blindsee unter uns, der immer mehr seine charakteristische Farbe annimmt, je höher die Sonne steigt. Am Gegenhang erkennen wir den Fernpass. Was nun folgt, sind 600 Tiefenmeter auf nur 4 Kilometer Distanz. Wir lassen es laufen. Im Steilflug geht es wieder über S1 Trails mit wenigen S2 Passagen sehr flowig und sehr schnell hinab ins Tal. Es folgen ein paar Meter Forstweg, bis der Trail linkerhand zum Blindsee abknickt und es noch einmal jäh und unvermittelt sehr wurzelig und verblockt wird – was aber eine willkommene technische Abwechslung ist.

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

DER BLINDSEE IST ERREICHT

Copyright Holger Thalmann / Moving Stills

Dann liegt er vor uns – der Blindsee. Wie ein mystisch schimmernder Smaragd. Wir halten uns an seinem Ufer entgegen der Ausschilderung links und müssen zwei kurze Tragepassagen in Kauf nehmen. Doch der grandiose Ausblick über den See entschädigt. Am Blindsee treffen wir dann auch erstmals auf Wanderer. Wir teilen uns den gleichen engen Pfad. Es ist fast schon ein Wunder, dass Biker in diesem Teil Österreichs nicht nur geduldet, sondern auch mit eigens ausgewiesenen Trails willkommen sind. Trailetikette und Höflichkeit lassen erst garkeine Spannungen mit Wanderern aufkommen.

Zurück geht es über Forstwege und S1 Trails Richtung Lermoos. Vorbei an den Loisachquellen nach Biberwier und über den Wachtersteig zurück in leichtem auf und ab bis zum Ausgangspunkt unserer E-MTB Tour an der Talstation der Grubigbahn. Ein Blick auf die Uhr zeigt: es ist noch Zeit für eine zweite Runde. Sollen wir?

Die schnelle Runde Lermoos – Grubigalm – Blindsee – Lermoos hatte knappe 700 Höhen und ebensolche Tiefenmeter. Die Streckenlänge betrug 24km. Davon 7km auf dem Blindseetrail im Downhill. Der Blindseetrail gehört definitiv zu meinen schönsten Trails, die ich bislang gefahren bin. Die geringe Entfernung zu München und Augsburg macht diese Tour zu einen bequemen Tagesausflug. Aber auch, wer einen längeren Aufenthalt plant, findet in der Region Zugspitz-Arena sehr viele weitere offizielle MTB-Trails. „Because mountainbiking is not a crime!“. Zumindest nicht in diesem Teil Österreichs. 

Text: Marc Burger
Video: Holger Thalmann / Moving Stills

Karte und Streckenprofil zum Blindseetrail gibt es hier.

Die offizielle Seite der Tourismusregion Tiroler Zugspitz Arena
listet auch weitere Biketouren und bietet viele Infos.
(Auf das Logo klicken)