Vor dem E-Bike gab es ihn noch nicht. Den “Bio-Biker”. Doch irgendwie muss sich der konventionelle Radfahrer nun begrifflich vom E-Biker abheben. Typisch für den Bio-Biker ist der oftmals verächtliche Blick auf das E-Bike. Getestet hat er das E-Bike jedoch nicht. Der Versuch einer nicht ganz so bierernsten Charakterisierung.
“Normale” Fahrräder sind besser!
“Bio-Biker” ist kein despektierlicher Begriff – auch, wenn er augenzwinkernd seine etwas dogmatische Haltung zum Ausdruck bring. So wie der “Bio-Käufer” auch denkt, er tue sich und seiner Umwelt grundsätzlich immer etwas gutes. Denn natürlich bedeutet “Bio” in einem Produktnamen, dass es immer gesund, immer nachhaltig, immer transparent, immer authentisch und immer… einfach besser ist! Die Parallelen zum Verweigerer des E-Bikes sind offensichtlich. Für den Bio-Biker ist das eBike kein richtiges Bike. Das erkennt man daran, dass er sein Bio-Bike hartnäckig als “normales” Fahrrad bezeichnet – und das eBike damit als “unnormal” brandmarkt. Er bleibt aus Überzeugung bei seinem konventionellen Bike. Ohne “E” ist immer besser! Und wo man aus eigener Kraft nicht hinkommt – da muss man auch nicht mit Motor hin. Basta! Da helfen auch keine Argumente…
Der Bio-Biker schafft es alleine zum Höhepunkt!
Für den typischen Bio-Biker gibt es nur zwei Gründe für E-Bikes: mangelnde körperliche Fitness oder aber Krankheit bzw Behinderung. In erstem Fall hat man sich den Gipfel nicht verdient! In zweitem Fall ist eine Fahrt auf den Gipfel viel zu gefährlich! Deswegen darf es in den Augen des Bio-Bikers garkeine E-Bikes geben. Er ist ein leidenschaftlicher Fortschrittsverweigerer. Das Pure, das Ursprüngliche, das Einfache und das Unverfälschte zählt für ihn beim biken! Da sind sich ausnahmsweise Biobiker auf einfachen 10.000,- EUR Rennrädern mit puristischster elektronischen Schaltung und bodenständiger Carbontechnik aus der Raumfahrt genauso einig, wie der naturverbundene, Sessellift-shuttelnde Downhiller auf seinem unverfälschtem Bio-Bike mit ursprünglichem 200mm Fahrwerk und nachhaltigen Scheibenbremsen. Der Bio-Biker spricht dem E-Bike den sportlichen Aspekt komplett ab. Der Bio-Biker hält sich daher gegenüber dem E-Biker für moralisch überlegen. Er schreckt nicht davor zurück, E-Biker als “Cheater” zu verachten, während bei der Tour de France nur lupenreine Athleten aufs Treppchen steigen. Beim Bio-Bike zählt halt noch menschlicher Wille und reine Muskelkraft!
Wie man es den E-Bikern richtig zeigt!
Auf der Straße erkennt man den Bio-Biker daran, dass er nicht grüßt und jedes normale Überholmanöver eines eBikers als Attacke empfindet. Der Bio-Biker schaltet dann zurück und tritt ordentlich in die Pedale, um es dem E-Biker “mal so richtig zu zeigen”. Zumindest bis zum nächsten Anstieg. Dumm nur, dass der E-Biker meist garnicht mitbekommen hat, dass er gerade an einem wichtigen Sprintrennen gegen einen Bio-Biker teilgenommen und verloren hat. Denn der E-Biker war nur locker pedalierend auf dem Weg zum nächsten Gipfel. Der Hardcore-Bio-Biker kennt sowas nicht. Man fährt nicht einfach so “zum Spaß” Fahrrad.
Nur der moralische Sieg zählt!
Der Bio-Biker ist immer in einem Wettkampf! Und während er auf das ganze Elektronik-Gedöns mit GPS und allem anderen unnötigen Firlefanz am E-Bike schimpft, muss er noch schnell sein Smartphone zücken, seine Strava-Zeiten veröffentlichen, seine Herzfrequenz und seine verbrauchten Kalorien dazu schreiben und bitte noch ein Gipfelfoto auf Instagramm posten. Merke: wenn es keinen Strava-Upload gibt, hat der Bio-Biker die Tour nicht gefahren! Das ist seine Existenzberechtigung. Seine Welt. Zu der ein Ein E-Biker Bitteschön keinen Zutritt bekommen soll. Denn den Gipfel, den muss man sich verdienen. Der Anstieg muss hart sein und in den Beinen brennen. Der Schweiß muss laufen und der Blick starr auf das Vorderrad gerichtet sein, während der Bio-Biker seinen Puls und seine Kadenz kontrolliert.
“Ach so?!”, sagt dazu der E-Biker, als der Bio-Biker sich zu ihm an den Tisch an der Hütte setzt. Aber nur, weil alle anderen Plätze belegt sind. “Auf soviel musst Du achten? Echt? Ich habe einfach nur die tolle Aussicht bergauf genossen. Aber ich finde das eine ganz, ganz tolle Leistung, wie Du hier rauf bist. Grossartig! Wirklich Respekt! Tschüss, ich muss weiter. Ich habe noch 1.500 Höhenmeter vor mir…” Der Bio-Biker schweigt. Das letzte Mal, dass seine Leistung so hoch gelobt wurde, war, als seine Mami ihn ohne Windel auf das Töpfchen gesetzt hat. “Ja, fein! Gut gemacht!” Die Lippen des Bio-Bikers werden noch schmaler. Er beschliesst: er wird noch härter trainieren. Er wird es den E-Bikern schon zeigen! Denn: auch wenn er hinter dem E-Biker am Gipfel ankam, ist er doch der moralische Sieger. Er legt die Speisekarte beiseite. Er wird die Speckknödel nicht bestellen. Er hat noch einen warmen, durchgeweichten Energieriegel in der Hüfttasche. Mit Ballaststoffen. Der Bio-Biker beißt hinein. Sein leicht säuerlicher Gesichtsausdruck passt zum säuerlichen Schweißgeruch.
Mahlzeit!
Bio-Biker – reine Auslegungssache!
Soweit die (zugegeben: überspitzte) Charakterisierung des Bio-Bikers. Der Begriff selbst kann neutral, quasi als Synonym zum “Radfahrer ohne Elektrounterstützung” verwendet werden. Es darf auch respektvoll mit Anerkennung der “puren, unverfälschten, echten” Leistung verwendet werden. Und es lässt auch einen fein ironischen bzw augenzwinkernd selbstironischen Blick zu. Daneben bezieht sich “Bio-Bike” natürlich nicht auf besonders umweltverträgliche Materialien des Fahrrades, sondern auf die Fortbewegung zu 100% Biomechanik vom Fahrer. Und letztendlich ist “Bio-Bike” ein viel kürzerer Begriff als “herkömmliches, biomechanisch betriebenes Fahrrad ohne elektrische Tretunterstützung”.
E-Biker sind halt bequem. Sie neigen zu politisch inkorrekten Gipfeleroberungen. Und ebensolchen Wortverkürzungen….
* “Bio” ist nur bei Lebensmitteln von der EG Öko Verordnung kontrollierter und geschützter Begriff. Aber bei allen anderen Produkten des täglichen Bedarfs, wie Kosmetik, Hygiene, Pflegeprodukte, Waschmittel, Textilien, etc, etc ist der Begriff “Bio” ein reines Werbeversprechen des Herstellers, welches keinen gesetzlichen Anforderungen oder gar einer Kontrolle unterliegt.