Früher war alles besser! Diesen Spruch kennt man. Auf eBikes bezogen heisst das: zumindest war früher das Fahrrad technisch einfacher. Das eBike macht das Fahrrad komplexer. Doch nicht nur die Elektronik, sondern auch die Mechanik ist komplizierter geworden: Rahmen, Laufräder, Ausstattung haben sich deutlich weiterentwickelt. Und der eBike Käufer sieht sich plötzlich mit Begriffen wie »Stack« und »Reach« konfrontiert – wo es früher einfach nur »Rahmenhöhe« hieß. Das verwirrt viele Ein- und Umsteiger auf das eBike. Das muss nicht sein. Wir erklären die gängigsten Begriffe.
Laufradgröße
Die Laufradgröße bezeichnet den Durchmesser eines E-Bikes Rades, bestehend aus Felge und Reifen. Früher erfolgte die Angabe meist in Zoll und beschrieb den ungefähren Außendurchmesser mitsamt Reifen. Diese Größenangabe ist mehr als ungenau, denn die Reifenflanke kann unterschiedlich hoch sein. Daher ließ dieses Maß keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Felgendurchmesser zu – noch darauf, welcher Reifen passt. Denn zu allem Überfluss hatten die großen Radfahr-Nationen wie Italien, Frankreich und England ihre eigenen Standards. Zum Beispiel passt ein französischer 28″ Reifen nicht auf eine englische 28″ Felge. Und das ist der Grund, warum 29″ Reifen auf 28″ Felgen passen: nur der Reifen ist voluminöser. Dadurch nimmt bloß der Ausenduchmesser des Rades zu.
Früher Zoll – heute ETRTO
Seit etwas mehr als 50 Jahren gibt es schon auf den sogenannten ETRTO Standard. Damit hat man ein europaweit einheitliches Maßsystem gefunden, welches den Außendurchmesser einer Felge, gemessen an der Felgenschulter in Millimetern bezeichnet. Dieses ETRTO Maß entspricht auch genau dem Innendurchmesser des Reifens. Das ETRTO Maß wird in zwei Ziffern angegeben, z.B. 37-622. Bei der Felge bezeichnet die erste Ziffer die Maulweite, die zweite den Felgendurchmesser an der Schulter. Bei einem Reifen bezeichnet die erste Ziffer die Reifenbreite, die zweite Ziffer den Innendurchmesser an der Felgenflanke.
Umgangssprachlich haben sich leider immer noch die alten Laufradgrößen 26″, 27″, 27,5″, 28″ und 29″ gehalten. So entsprechen 26″ beim MTB einer ETRTO von 559 und 26″ beim Triathlonrad einer ETRTO von 571. Der 27″er aus der DDR entspricht einer ETRTO von 630. Das neue MTB Maß 27,5″ ist das »gute alte« französische Maß von 26″ Ballonreifen und entspricht ETRTO 584. Und das bekannte 28″ City- und Trekkingrad Format entspricht genau wie das neue 29″ MTB Format einer ETRTO von 622.
Vor und Nachteile unterschiedlicher Laufradgrößen
Je größer der Durchmesser eines Laufrades ist, umso besser ist sein Abrollverhalten und desto geringer sein Rollwiderstand. Aber je größer das Laufrad, desto schwerer ist es auch. Da dieses rotierende Gewicht Zentrifugalkräfte aufbaut, wiegt ein schwereres Laufrad beim Fahren sprichwörtlich doppelt so schwer. Das Einlenkverhalten eines Zweirades wird mit Zunahme der rotierenden Massen wesentlich träger. Es gilt, den für den Einsatzzweck richtigen Kompromiss aus Agilität und Laufruhe zu finden. Bei Mountainbikes überwiegen 27,5″ Laufräder, bei City- und Trekking-Bikes 28″. Kompakt- und Falträder haben aus Gründen geringer Packmaße meist 20″. Sie lassen sich dadurch auch sehr agil und flink fahren – leiden aber an mangelndem Komfort. Durch die Laufradgröße ist eine Mindestgröße des Rahmens vorgegeben. Der Rahmen für ein eBike mit 29 Zoll Rädern muss zwangsläufig größer sein, als der Rahmen für ein eBike mit 26 Zoll großen Rädern. Ein Kriterium für Wahl der Laufradgröße ist – neben dem Einsatgebiet – auch die Körpergröße.
Die Rahmengröße und wie sie gemessen wird
Eines der wichtigsten Kriterien bei der Auswahl eines passenden E-Bikes ist die Rahmengröße. Oft wird die Rahmengröße wie bei Konfektionsgrößen mit den Buchstaben S, M, L angegeben. Diese Angaben bieten jedoch nur wenig Aufschluss über die tatsächliche Größe eines Rahmens. Wesentlich anschaulicher ist die Angabe der Länge des Sitzrohres in Zoll oder Zentimeter. Je nach Hersteller wird die Rahmenhöhe anders gemessen. Normalerweise ist das Maß zwischen dem Mittelpunkt der Kurbelwellenschraube bis zur Oberkante des Sitzrohres die Rahmenhöhe.
Um Käufern die Auswahl zu erleichtern, stellen die meisten Hersteller alle wichtigen Angaben der Geometrie zu jedem E-Bike in übersichtlichen Tabellen zusammen. Die Rahmenhöhe ist für viele eBike-Käufer das einzige Kriterium, wie sie ihr neues Rad aussuchen. Das ist aber zu ungenau und sagt nichts über die Positionierung des Fahrers auf dem eBike, geschweige denn über seine Sitzhaltug. Die Rahmenhöhe hat daher als Maßstab ausgedient. Moderne Rahmen, die stark zum Hinterrad hin abfallen, lassen sich zudem nicht mehr über die Rahmenhöhe definieren. Denn die Rahmenhöhe kann man zum Teil mit einer Sattelstütze ausgleichen. Ein viel wesentlicheres Kriterium dafür, ob einem der Rahmen passt, ist daher die Rahmenlänge.
Die Sitzhöhe – Das Maß ohne feste Größe
Die optimale Sitzhöhe ist wichtig für ein gelenkschonendes und kräftesparendes Fahren. Gemessen wird die Sitzhöhe ähnlich wie die Rahmenhöhe von der Mitte der Kurbelwellenschraube entlang des Sitzrohres bis zur Oberkante des Sattels. Leider sieht man (vor allem bei Frauen und Kindern) immer wieder zu tief eigestellte Sättel, da der Schwerpunkt damit tiefer kommt und dem ungeübten Fahrer mehr Sicherheit vermittelt. Diese Sicherheit wird aber auf Kosten der Gesundheit erkauft.
Ist die Sitzhöhe zu niedrig eingestellt, sind die Kniegelenke zu stark gebeugt, wenn die Pedale beim treten den oberen Totpunkt erreichen. Der Fahrer rammt sich beim pedalieren quasi das Knie in die Brust. Dadurch wird die Atmung flacher, die Sauerstoffversorgung knapper und der Blutdruck steigt. Der Fahrer ermüdet schneller. Außerdem kann das stark gebeugte Knie weniger Kraft übertragen und die Kniegelenke werden zu stark belastet. Wer dauerhaft auf einem zu niedrig eingestellten Sattel unterwegs ist, kann ernsthafte Knieproblemen bekommen.
Auch eine zu hohe Sitzhöhe kann zu Problemen führen: beim Pedalieren kippt das Becken nach rechts und links. Die Durchblutung in den Beinen kann abnehmen. Taubheit in den Füßen und Schmerzen in der Hüfte sind die Folge. Wer seine Sitzhöhe im Kopf hat, kann den Sattel bei geliehenen E-Bikes ohne langes Probieren schnell optimal einstellen. Wer seine Sitzhöhe nicht weiß, der stellt den Sattel so ein, dass bei ausgestrecktem Bein die Ferse die Kurbel berührt, wenn man auf dem Sattel sitzend pedaliert.
Rahmenlänge – Kurz oder lang
Die Rahmenlänge ist das wichtigste Maß für die Geometrie und die Sitzhaltung während der Fahrt. Meist werden zur Bestimmung der Rahmenlänge zwei Maße angegeben. Die »Oberrohrlänge« und die »effektive Oberrohrlänge«. Das aussagefähigere der beiden Maße ist die effektive Oberrohrlänge. Sie wird gemessen von der Mitte des Steuerrohrs waagrecht bis zur Sattelstütze. (Eigentlich bis zur virtuellen Linie zwischen Tretlager und Sattelkopf) Das zweite Maß ist die Länge des Oberrohrs. Die tatsächliche Länge des Oberrohrs ist weniger interessant. Bei modernen Rahmen fällt das Oberrohr meist stark nach hinten unten ab. Dadurch ist der waagrechte Abstand zwischen Steuerrohr und Sattelstütze kürzer als die Länge des Oberrohrs.
Ob einem ein Rahmen aufgrund der effektiven Oberohrlänge »passt« ist immer im Zusammenspiel mit dem Cockpit (Vorbaulänge/ Vorbauwinkel/ Biegung und Höhe des Lenkers) zu sehen und bestimmt maßgeblich, ob der Fahrer während des Pedalierens kompakt oder eher gestreckt auf dem eBike sitzt. Die Rahmenlänge ist also eher eine »statische Größe«. Übrigens: Frauen haben andere Körperproportionen als Männer: bei gleicher Körpergröße haben sie längere Beine und kürzere Oberkörper. Spezielle Damenrahmen gehen darauf ein und besitzen bei gleicher Rahmenhöhe ein kürzeres Oberohr.
Geometrie: Stack-to-Reach
Das ist das Maß der Profis. Denn der Stack-to-Reach Wert (STR) orientiert sich an den zwei unverrückbaren Größen an einem Rad: dem Steuerkopf und dem Tretlager. Der Stack-to-Reach gibt an, wie Steuerohr und Tretlager zueinander stehen. Daraus erschließt sich, wie der Fahrers >im< Bike positioniert ist. Der Stack (“Bauhöhe”) ist der senkrechte Abstand zwischen der Mitte des Tretlagers und der Oberkante des Steuerrohrs. Während die Oberrohrlänge ein »statischer Wert« ist, ist der Stack eher eine »dynamische Größe«: ein tiefer Stack führt zu mehr Druck auf dem Vorderrad und erhöht die Sicherheit in Kurven.
Der horizontale Abstand zwischen der senkrechten Linie und der Oberkante des Steuerrohrs wird als Reach (“Reichweite”) bezeichnet. Auch der Reach ist eine »dynamischer Wert«, denn er beeinflusst maßgeblich das Handling des Fahrrades bergab. Der Reach gibt an, wie zentral der Fahrer im Bike steht. Stack und Reach als gedachte Linien bilden immer einen rechten Winkel über dem Oberrohr. Der Quotient aus der Division von Stack durch Reach ist der Stack-to-Reach Wert – zum Beispiel 1,5. Bei einem STR-Wert unter 1,45 ist die Sitzposition eher sportlich. Ein STR-Wert über 1,55 kennzeichnet eine komfortablere und weniger gestreckte Sitzposition. Um den optimalen Stack-to-Reach zu finden, sollte man sich zu einem Fachhänder begeben und eine Vermessung des Körpers vornehmen lassen. Dann kann man ein Bike aussuchen, welches wie der sprichwörtliche Maßanzug passt.
Überstandshöhe
Die Überstandshöhe oder englisch »Standover« ist das Maß zwischen Boden und der Oberkante des Oberrohrs an seiner niedrigste Stelle. Je niedriger die Überstandhöhe ist, umso mehr Schrittfreiheit hat der Fahrer, wenn er über seinem Fahrrad steht. Die Überstandshöhe ist aber auch von fahrdynamischer Bedeutung, denn ein kleiner Wert bietet dem sportlichen Fahrer auch die Möglichkeit sein eBike tiefer in Kurven abzuwinkeln (“drücken”), ohne mit der Innenseite des Oberschenkels zu früh am Oberrohr anzustoßen. Damenrahmen haben oftmals ein abgesenktes Oberrohr, um durch die niedrigere Überstandshöhe das auf- und absteigen zu erleichtern. Bei extrem nach unten gezogenen Oberrohren (Schwanenhalsrahmen), oder Tiefeinsteigern (Waverahmen), die nur noch ein Unterrohr besitzen, spricht man daher von Durchstiegshöhe.
Sattelüberhöhung & Lenkerüberhöhung
Die Sattelüberhöhung gibt an, um wie viel der Sattel den Lenker hinausragt. Die Sattelüberhöhung beeinflusst die Sitzposition des Fahrers und bestimmt, ob der Fahrer eher sportlich gebeugt oder kompakt aufrecht auf dem Fahrrad sitzt. Bergauf hat diese Position Einfluss auf die Steigfähigkeit des Fahrrades: Je aufrechter man sitzt, desto leichter hebt sich das Vorderrad beim Überfahren von Hindernissen vom Boden ab. Bei Rennrädern ist der Sattel aus aerodynamische Gründen meist höher als der Lenker.
Bei Touring, City und Trekkingrädern ist dagegen der Lenker in der Regel höher als der Sattel. Während der Stack vom Rahmen selbst vorgegeben wird, kann man die Lenkererhöhung mittes Vorbau und Spacer selbst beeinflussen. Die Lenkerüberhöhung ermöglicht eine komfortable und aufrechte Sitzposition. Jedoch sollte die Lenkererhöhung mitels Vorbauwinkel so gewählt werden, dass bei MTB 15 – 20 % des Körpergewichtes auf dem Lenker lasten, bei Trekkingrädern 10 – 15 % und bei Cityrädern 5 – 10 %. Mit der Lenkererhöhung beeinflusst man also auch die Radlastverteilung auf dem Fahrrad und damit ganz entscheidend das Fahrverhalten. Übertreibt man es mit der Lenkererhöhung und entlastet das Vorderrad komplett, kann dies zu einem gefährlichen fahrdynamischen Phänomen führen: dem Lenkerflattern, auch “Shimmy” oder “Wobble” genannt.
Radstand – kurz und agil oder lang und ruhig
Der Radstand ist eine der am meisten unterschätzten Größen eines eBikes. Er bschreibt den Abstand zwischen den beiden Radachsen eines Zweirades. Je länger der Radstand eines Fahrrades ist, umso ruhiger fährt das Rad. »Länge läuft«, wie der Segler sagt. Ein kurzer Radstand verleiht dem Bike mehr Agilität und Wendigkeit. »Kurz und wendig« beschreibt es am besten. Es gilt, den beste Kompromiss aus Laufruhe und Agilität zu finden.
Tourenbikes, Cruiser und abfahrtsorientierte Downhiller haben einen eher lange Radstand. Citybikes, Rennräder und AllMountains haben eher einen kürzeren Radstand. Die Wahl des Radstandes richtet sich daher in erster Linie nach dem Einsatzzweck des eBikes. Bis dahin kennt man die Binsenweisheiten über den Radstand. Aber der Radstand entscheidet über noch viel mehr: im Zusammenspiel mit dem Tretlager, auf dem ca 90% des Fahrergewichtes lasten, ergibt sich daraus die Lastverteilung (Vorderrad zu Hinterad) auf einem eBike. Das Gefühl, wie »ausbalanciert« man auf einem eBike positioniert ist, hat maßgeblich mit dem Radstand und der Entfernung Tretlager-zu-Vorderrad und Tretager-zu-Hinterrad zu tun.
Hinterbaulänge
Die Hinterbaulänge wird von der Mitte der Tretlagerwelle bis zur Mitte der hinteren Radachse gemessen. In Verbindung mit dem Radstand ergibt sich daraus die Position des Tretlagers zwischen Vorder und Hinterad. Zusammen mit dem Lenkwinkel ist das >der< Faktor, der das Fahrverhalten eines eBikes am allerstärksten beeinflusst. Bei der Hinterbaulänge verhält es sich ähnlich wie beim Radstand eines Fahrrades. Je länger der Hinterbau ist, umso ruhiger fährt das Rad. Bei sportlichen Rädern wird die Hinterbaulänge möglichst kurz gehalten, um den Rad eine höhere Wendigkeit zu verleihen. Allerdings führt ein kurzer Hinterbau bei steilen Anstiegen zu einer geringeren Traktion. Bei eBikes beschränkt der Tretlagermotor ganz massiv die Kettenstrebenlänge und limitiert damit die Agilität des Rades. Daher drehen Fahrradhersteller die Motore in ihren Rahmen, um kürzere Kettenstreben zu erzielen.
Lenkerbreite und Länge des Vorbaus
Die Maße von Vorbau und Lenker gehören strenggenommen zwar nicht zur Geometrie des Rahmens, haben aber einen erheblichen Einfluss auf die Kontrolle über das Rad. Auch diese beide Größen müssen immer im Zusammenspiel gesehen werden. Je länger der Vorbau ist, umso sicherer wird das Vorderrad geführt – aber desto träger das Einlenkverhalten. Ein kürzerer Vorbau bringt Agilität. Ein breiterer Lenker mehr Kontrolle. Auch hier gilt es, für den Einsatzzweck den richtigen Kompromiss zu finden.
Bei City und Trekking Rädern ist der Lenker schmaler und nach hinten gekröpft, sodass eine aufrechte Sitzposition möglich ist. Insbesondere bei Mountainbikes werden seit ein paar Jahren kürzerer Vorbaulängen und zum Teil sehr breite Lenker eingesetzt. Ein breiter Lenker bietet eine deutlich bessere Kontrolle über das Vorderrad als ein schmaler Lenker – er zwingt jedoch zu einer deutlich vorderradlastigeren Fahrweise. Die Kombination “kurzer Vorbau und breiter Lenker” macht jedoch nur dann Sinn, wenn die gesamte Rahmengeometrie mit einer langen Oberohrlänge darauf abgestimt ist. Die Firma Mondraker gilt als Vorreiter dieser innovativen Forward-Geometrie.
Tretlagerhöhe oder Tretlagerabsenkung
Der Abstand des Tretlagers vom Boden hat einen entscheidenden Einfluss auf Handling eines Fahrrades. Er gibt an, wie tief der Fahrer im Fahrrad integriert ist. Ob er das Gefühl hat »auf« dem Rad, oder »im« Rad zu sitzen. Ein tiefes Tretlager gibt dem Fahrer gute Kontrolle über das Rad in Kurven und Bergab – ein hohes Tretlager gibt genügend Bodenfreiheit, um nicht auf Hindernssen aufzusetzen. Es gilt, den besten Kompromiss zu finden. Die Höhe des Tretlagers kann mit zwei unterschiedlichen Werten angegeben werden: einmal als Abstand des Tretlagers vom Boden, der »Tretlagerhöhe« (Bottom-Bracket-Hight). Oder als »Tretlagerabsenkung«. (Bottom-Bracket-Drop). Letzteres gibt an, wie tief das Tretlager unter der gedachten Verbindungslinie beider Radachsen platziert ist.
Die Tretlagerhöhe ist eine wichtige, oft aber stiefmütterlich beachtete Größe bei der Radkonstruktion. Sie ist immer im Zusammenhang mit der Laufradgröße, dem Reifendruck und dem eingestellten Sag am Dämpfer zu betrachten. Durch die Laufradgrößen 27.5“ und 29“ liegt das Tretlager beim eMTB immer unterhalb der Radachsen, was das Handling des Bikes spürbar verbessert. Haibike unterscheidet seine eMTB Modellreihen Sduro und XDuro – also »sportlich« oder »extrem« – auch anhand der Tretlagerhöhe. Die »extremen« XDuros haben grundsätzich tiefere Tretlager. Also >weniger< Bodenfreiheit! Zugunsten besserer Integration des Fahrers »im« Rad und höherer Kontrolle des eMTB im schwierigen Gelände.
Das Sitzdreieck und sein Einfluss auf die Sitzposition
Die drei Kontaktpunkte des Fahrers mit seinem eBike bilden das sogenannte Sitzdreieck. Je nach Fahrradtyp ist das Sitzdreieck anders ausgerichtet. Bei sportlichen Rädern wie Zeitfahr-Rennrädern oder Triathlonrädern ist das Sitzdreieck sehr weit nach vorne gedreht. Das heißt, der Sattel befindet sich praktisch vertikal über dem Innenlager. Der Lenker ist zudem sehr tief angeordnet. Dadurch wird eine weit nach vorne geneigte und aerodynamisch günstige Sitzposition erreicht.
Bei City und Tourenrädern ist das Sitzdreieck entgegengesetzt nach hinten gedreht. Dadurch befindet sich das Tretlager sehr weit vorne vor dem Sattel und der Lenker ist wesentlich höher als der Sattel angeordnet. Daraus ergibt sich eine aufrechte Sitzposition, bei der fast das gesamte Gewicht des Fahrers auf dem Sattel lastet. Die grundsätzlichen Positionen dieser Kontaktpunkte werden durch die Rahmenkonstruktion vorgegeben. Eine Veränderung ist nur in geringem Maße durch die übrigen Bauteile wie Sattelstütze oder Lenker möglich.
Sitzwinkel
Der Sitzwinkel beschreibt die Neigung des Sitzrohres nach hinten. Oder genauer: die gedachte Linie zwischen Tretlagermitte und Sattelmitte. Der Sitzwinkel hat Einfluss auf die Kraftübertragung eines Rades. Je steiler der Sitzwinkel ist, umso mehr rückt der Sattel und damit der Fahrer nach vorne über das Tretlager. Die Tretkraft kann dann vor allem auf sportlichen Bikes effizienter genutzt werden. Bei Mountainbikes sind heute Sitzwinkel von 74 bis 75 Grad der Standard. Bei Touren und City Rädern ist der Sitzwinkel weniger steil, sodass das Gewicht des Fahrers mehr auf dem Hinterrad lastet, wodurch die Traktion am Hinterrad verbessert wird.
Es gibt auch eBikes wie das YouMo und das Electra Townie, welche den umgekehrten Weg gehen und dem Fahrer einen sehr flachen Sitzwinkel anbieten. Bei dieser sogenannten »Flat Foot Technology« sitzt der gesamte Fahrer um ca 15° zurückgelehnt auf dem Rad. Das ist nicht nur enorm lässig und entspannt – sondern auch praktisch: der Fahrer kann bei einer roten Ampel ganz bequem beiden Füße auf dem Asphalt abstellen. Gerade Fahrer, die klein sind, Knieprobleme haben, eine Bandscheiben OP im Bereich des Nackens hatten, sich unsicher auf dem Rad fühlen oder einfach nicht mehr so beweglich sind, werden mit dieser speziellen Rahmengeometrie sehr glücklich. Leider kennen noch nicht alle Händler diese »Flat Foot« Rahmen.
Die Fahrradgeometrie nur behutsam verändern
Oftmals sieht man eBiker mit stark veränderter Fahrradgeometrie: da werden verstellbare Vorbauten kerzengerade nach oben gestellt und Sättel weit zurück geschoben. Neben der mangelnden Stabilität dieser Umbauten und der daraus resultierenden Unfallgefahr sind diese massiven Eingriffe in die Rahmengeometrie auch aus fahrdynamischer Sicht reinstes Harakiri. Eine Vorbaulänge gleich “Null Milimeter” die man mit einem solchen nach oben verstellte Vorbau erreicht, lässt keine sichere Führung des Vorderrades mehr zu. Außerdem greift man massiv in die Gewichtsverteiung auf dem eBike ein und verschiebt die Radlast sehr ungünstig nach hinten.
Wenn über 60% des Gesamtgewichtes auf dem Hinterrad lasten, kann es zum gefürchteten Lenkerflattern kommen. Motorradfahrer kennen dies als “Shimmy” oder “Wobble”. Dann schaukelt sich die komplette Frontpartie des eBikes eigenständig durch eine Resonanzüberlagerung in Eigenfrequenz auf. Ein Sturz kann die Folge sein. Deshalb Lenker nie zu hoch, Vorbauten niemals über den Verstellbereich und Sättel nicht zu weit hinten positionieren. Wer sein eBike dermaßen grotesk umbauen muss, dass es ihm passt, sollte sich fragen, ob er die für ihn passende Fahrradkategorie gekauft hat. Leider sieht man viele ältere eBiker mit solchen Umbauten am Bike. Um es mit einem Fimtitel zu sagen: »Denn Sie wissen nicht, was sie tun«. Diese Fahrer haben – ohne es zu wollen – ein gut funktionierendes eBike in ein potentiell gefährliches eBike umgebaut. Es gab schon tödliche Stürze wegen Lenkerflattern.
Grau ist alle Theorie
Ob in der Praxis ein eBike optimal zu einem passt, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Es genügt es deshalb nicht, Kaufentscheidungen nur aufgrund der Angabe einer Rahmenhöhe im Internet zu treffen. Im Internet kaufen dürfen diejenigen Profis, die aus Stack, Reach, Radstand, Ketenstrebenlänge, Bottom-Bracket-Drop und Lenkwinkel sich eine genaue Vorstellung machen können, wie sich das eBike anfühlt. Auch ein statisches Probesitze im Radladen genügt nicht, um herauszufinden, ob das eBike zu einem passt. Nur eine längere Probefahrt kann Gewissheit bringen. Dies kann natürlich etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wer höhere Ansprüche an sein neues Bike stellt, sollte sich von Kopf bis Fuß vermessen und ausführlich beraten lassen. Erfahrene Verkäufer können schon anhand der Statur des Fahrers oder der Fahrerin erkennen, welch eBike-Geometrie passen könnte. Einige Händler bieten daher auch Body-Scanning an – spätestens damit sollte man dann das passende eBike finden. Diese Vielzahl an Möglichkeit, das passende Bike zu finden, kannte man früher noch nicht. Vielleicht war damals ja doch nicht alles besser…