Wenn man sich dem Thema E-Bike nähert, dann kommt sehr schnell die Frage auf, wie weit der Akku reicht. Die Frage nach der Kilometerleistung trifft aber nicht immer den Kern von einem Reichweitentest. Ist man zum Beispiel in den Bergen unterwegs, dann ist die Frage nach den Höhenmetern viel wichtiger als die nach den Kilometern.

Durchs Karwendel
Mit dem eMTB durchs Karwendel

Das muss man ausprobieren

Der E-Biker in spe betritt den Fahrradladen seines Vertrauens. Wenn er einen entspannten Berater trifft, dann kann dieser ihn aufklären über die Reichweite seines neuen Traums auf zwei Rädern. Wir lernen auf was es alles ankommt und stellen am Ende fest: wir müssen einen Test fahren auf einer Strecke, die wir immer gerne fahren.

Erster Anstieg bi Scharnitz
Blick auf die Isar bei Scharnitz

Teststrecke Karwendelrunde

Und weil auch ich nur ein E-Biker bin, der es wissen möchte, suche auch ich mir eine Teststrecke aus: die Karwendelrunde. Eine schöne Runde in den Bergen, die ich sehr liebe. Früher konnte ich die auf meinem Bio-Allmountain immer nur im Herbst fahren, weil die 1.800 Höhenmeter mich bis an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit gefordert haben. Aber was haben wir auf der Schule und in der Uni gelernt? Der Grenzwert ist der zentrale Baustein der Analyse – oder hat das gar nichts miteinander zu tun?

Reichweitentest Karwendelrunde
Karwendelrunde

Gegen besseres Wissen

Nicht nur 66 km und 1.800 Hm beschäftigen mich fortan, sondern auch völlig unterschiedliche Bikes mit total unterschiedlichen Antriebskonzepten. Ich teste auf meiner Lieblingsstrecke Antriebe von Bosch gegen Shimano und Fazua. Geht ja gar nicht! Doch, sage ich. Weil ich immer der gleiche Fahrer mit dem gleichen Gewicht bin, der auf seiner persönlichen Lieblingsstrecke fahren möchte. Und das gilt auch für euch: Testet die Bikes eurer Wahl, die ihr gerne fahren möchtet – und wenn sie noch so unterschiedlich sind! Es sind EURE LIEBLINGSBIKES und ihr müsst darauf fahren.

Wie aus dem Bilderbuch: der kleine Ahornboden im Karwendelgebirge

Unterschiedliche Antriebe fordern unterschiedliche Strategien

Als Testkandidaten habe ich das Ghost Hybrid ASX mit einem Bosch Performance Line CX Motor (85 Nm) mit 625 Wh Akku. Das zweite Bike ist ein Light-E-MTB, das Lapierre eZesty mit Fazua-Antrieb (55 Nm und 250 Wh). Der dritte Kandidat ist das Ducati TK 01 RR mit einem Shimano EP8 (85Nm) und 630 Wh Akku. Die Reichweite wird beim Bosch laut Reichweiten-Assistenten mit meinem Körpergewicht, Bikegewicht, Ausrüstung und “Bergstrecke” mit 42 km angegeben. Ich will also gut 50 Prozent mehr als angegeben? Na gut. Diesen Eckwert übernehme ich auch für den Shimano-Motor, der vergleichbare Kraft hat. Das Light-E-Bike von Lapierre erfordert eine andere Strategie. Fazua gibt an ca. 1 bis 1,5 Stunden volle Leistung zu bringen. Da die Fahrt ca. 4 Stunden dauern soll, muss ich also eine große Pause einlegen. Auf der Hälfte der Strecke liegt das Karwendelhaus. Dort gibt es auch eine “Stromtankstelle”, die ich nutze mit einer Pause von knapp 3 Stunden. Ein zweiter Akku wäre besser gewesen, aber dazu später.

Reichweiten-Assistent

Planung und Durchführung

Die Strecke ist bekannt – ich weiß, was mich erwartet und daher kann ich auch weit über die Grenzen für den Reichweitentest gehen. Die Strecke habe ich zur Sicherheit noch auf meinem Routenplaner von Wahoo, der die Strecke anzeigt, die Temperatur aufzeichnet und alle Daten später auf Strava lädt. Hier vergleiche ich auch die verschiedenen Fahrten. Der Bosch Reichweiten-Assistent ist eine sinnvolle Unterstützung im Vorfeld. Fazua und Shimano lassen mich dafür über App auch die Unterstützung anpassen. Und mit viel Höhenmeter und steilen Anstiegen will ich auch sofortige Unterstützung.

Karwendelrunde

Und die beste Lösung heißt:

So schnell geht es nicht. Jetzt kommen erstmal die Fahrberichte. 

Das Ghost

Das Ghost Hybrid ASX mit Bosch-Antrieb und Alu-Rahmen fuhr sehr brav über die gesamte Strecke und machte auch bergab richtig Spaß! Es war der erste Testkandidat, auch das macht einen Unterschied, da ich deutlich vorsichtiger fuhr. Die restliche Reichweite in km gab mir – obwohl ich ja eigentlich Höhenmeter gezählt habe – immer eine gute Zusatzinfo neben dem Akkustand. Ich bin sehr viel im Eco-Modus gefahren, um die gesamte Strecke Unterstützung zu haben. Das Bike hat richtig viel Spaß auf der gesamten Strecke gemacht und mir einmal mehr Abenteuer geliefert, wo ich es gebraucht habe. Reine Fahrzeit: 3 Stunden 45 Minuten. Fast doppelt so schnell wie mit dem Bio-Bike vor vielen Jahren. Restreichweite am Ende der Tour: 2 km. Kompletter Bericht.

Mit dem Ghost vor dem Karwendeltal

Das Lapierre

Das Lapierre eZesty mit dem Fazua-Antrieb und Carbon-Rahmen hat richtig Laune gemacht. Es wollte auch richtig unterstützen und tat dies viel stärker, als die 55 Nm Leistung erwarten ließen. Da ich in der Mittagspause den Akku meines Rades und meinen eigenen aufladen wollte, gab ich vorher richtig Gas und war schneller unterwegs als mit dem Ghost. Die Pause auf der Hütte wurde mir aber nach 2,5 Stunden einfach zu lang. Auch wenn die Aussicht noch so schön war, ich wollte weiter. Das Lapierre hat bergab alles gegeben, was in den Fox-Dämpfern drin war – eine Wonne! Am Ende hatte ich aber wegen meiner Ungeduld den Akku nur zu etwa 75% wieder aufgeladen. Mit einem zweiten Akku, der nur ca. 1,1 Kilogram wiegt, wäre ich besser gefahren und hätte die Runde auch komplett mit Unterstützung fahren können. Das Lapierre fährt sich aber auch ohne Unterstützung prächtig und so konnte ich die ca. 20 Minuten länger auch gut verkraften. Mit dem Lapierre eZesty im Karwendel.

Das E-Fully eZesty von Lapierre mit Fazua-Antrieb

Das Ducati

Das Ducati TK 01 RR mit dem Shimano EP8 Antrieb war das dritte Bike im Bunde. Zum Start hatte ich ein Zeitproblem mitgebracht. Ich musste die Tour so schnell wie möglich fahren, weil ich erst um 14:30 in Mittenwald war. Dem Ducati war das egal. Es unterstützte mich sehr gut und kräftig. Die Pause auf dem Karwendelhaus, die ich immer so genossen habe, ließ ich einfach weg. Mit Vollgas bin ich über den Hochalmsattel zum kleinen Ahornboden gerauscht, habe kurz ein paar Fotos gemacht, habe mir irgendwas (keine Ahnung was) in den Mund gestopft und bin weiter zum Johannistal gerast. Mit über 60 km/h über den Schotterweg habe ich eine neue Höchstgeschwindigkeit in das Betriebssystem meines Bikes geschrieben. Ein paar Fotos und Videos und nochmal eine Bachdurchquerung, dann ging es mit nassen Füßen den letzten Anstieg hoch. Der Shimano-Motor lehrte mich aber, dass es nur noch ECO gibt mit einem Balken. Vorlaut, aber praktisch. Nur die letzten 5 Kilometer in der Ebene hatte ich keinen Saft mehr im Akku. Trotzdem kam ich 2 Minuten eher an als mit dem Ghost. Auf die komplette Strecke lächerlich wenig. Und sicherlich bin ich auch “anders” gefahren, gefühlt viel schneller. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war exakt gleich bei 17,3 km/h. Hier der Fahrbericht mit dem Ducati im Karwendeltal.

Das Ducati TK 01 RR
Das Ducati TK 01 RR
Vorbildlich: die Shimano-E-Tube-Project-App

Trockener Vergleich der Zahlen

Reichweitentest Shimano vs Bosch vs Fazua
Reichweitentest

Fazit: and the winner is …

Welches Bike ist jetzt das beste E-MTB? Das ist natürlich individuell verschieden. Das beste Preis/Leistungsverhältnis hat mit ca. € 5.000 das Ghost. Lapierre und Ducati liegen beide bei etwa € 7.500.
Das Lapierre ist für sehr sportliche Fahrer das beste, weil man es völlig problemlos auch als Bio-MTB fahren kann.
Und das Ducati hat die besten Abwärtsfahreigenschaften. Öhlins Gabel und Dämpfer waren unglaublich geschmeidig.

Im Vergleich der Reichweite
Reichweitentest mit drei unterschiedlichen eMTBs

Gewonnen habe ich, weil ich diese traumhaft schöne Strecke drei mal fahren durfte – und sie macht jedes mal aufs neue Spaß. Bei der letzten Fahrt hatte ich wenig Zeit, dafür konnte ich auf den Fotos und Videos danach nochmal zuhause in Ruhe ansehen. Übrigens: der Test ist subjektiv. Genau so könnt ihr auch für euch testen. Welches E-Bike macht euch am meisten Spaß? Kommentare Willkommen!