Immer mehr eBikes drängen auf den Markt, denen man es nicht ansieht, dass sie einen Motor und eine Batterie tragen. Das Desiknio ist so ein E-Bike. Und zwar ein enorm schickes. Leider ist die spanische Marke hierzulande noch gänzlich unbekannt. Hier ein Fahrbericht des Desiknio.
Ein neuer Antrieb von Mahle
Die Vorreiter dieser Entwicklung waren cleane Urban Bikes im Fixie-Look. Pioniere wie Freygeist oder Coboc verbauten „versteckte“ Akkupacks in Ober- und Unterrohr und kleine Nabenmotore im Heck. Manch andere Hersteller setzten seit 2015 auf einen Antrieb des Spanischen Hersteller Emotionbike, kurz „EBM“. EBM ist ein „hidden Champion“ der Szene. Bislang trat die Marke nie selbst in Erscheinung, sondern wurde immer nur in verschiedensten Rädern – unter anderem Kalkhoff und Rocky Mountain – verbaut. Hinter EBM steckt Desiknio – einer Marke, die selbst cleane Urban Bikes mit elektrischem Antrieb anbietet. Der Firmeninhaber Joaquin Cortez fand kein passendes „cleanes“ Gesamtsystem auf dem Markt. Also entwickelte er kurzerhand selbst eines. Dies gelang ihm offenbar so gut, dass vor wenigen Tagen der renommierte Automobilzulieferer MAHLE die Firma EBM mitsamt ihrer Patente aufkaufte. Und genau dieses MAHLE System konnte ich nun probefahren. Und zwar in dem eBike, welches diesen Antrieb zuerst gebar: eben jenem Desiknio.
Das Desiknio ist Minimalismus pur
Der Name ist Programm: als allererstes fällt die überaus attraktive und minimalistische Designsprache auf. Das Desiknio beherrscht die Reduktion auf das wesentliche. Es steht da wie ein Edel-Fixie. Auf den ersten Blick schlicht und einfach. Auf den zweiten Blick ebenso hochmodern wie hochwertig. Wer ein Auge für Design hat wird das Desiknio deswegen lieben! Der Nabenmotor des Desiknio ist nicht größer als die Riemenscheibe des Gates Riemens und der Bremsscheibe und versteckt sich daher nahezu unsichtbar im Hinterrad. Der Akku wurde im Unterrohr integriert. Innen verlegte Züge, selbst eine innen verlegte Bremsleitung in der Carbongabel sorgen für ein klares und aufgeräumtes Erscheinungsbild. Das ist jedoch nicht das einzige Geheimnis der Attraktivität.
Eine Schönheit aus Spanien
Die Proportionen an diesem Rad sind absolut stimmig. So fällt das etwas dickere Unterrohr, welches den 250W Akku beherbergt, nicht negativ auf. Zusammen mit breiter Carbon-Gabel, massivem Steuerrohr und modernem Querschnitt von Sattelrohr und Sattelstütze, interpretiert dieses Rad das klassische Thema Singlespeed bzw. Urban optisch sehr erfrischend und wohltuend neu. Doch wer nun denkt, das Desiknio ist nur ein Rad für das nächste Straßencafé und zurück, der irrt. Die Ausstattung ist solide und robust. Eine 15mm Thru Axle im Vorderrad schafft Stabilität und Direktheit. Ein Brooks Sattel taugt auch für stundenlange Touren. Ebenso wie die Shimano LX Discbrakes ganz klar dem Pragmatismus geschuldet sind. Dieses Rad kann man stundenlang fahren! Und danach stundenlang betrachten. Übrigens: die 250W im Unterrohr zu wenig sind (geschätzte 65km Reichweite), der kann einem zweiten 250W Akku in Trinkflaschenform auf das Unterrohr schnallen und mit der Ladebuchse im Bereich des Rahmendreiecks zu Tretlager anschließen. Eine smarte Lösung. Wie alles an diesem Rad durchdacht und smart ist. Vor allem aber der Antrieb und dessen Steuerung.
Minimalistisch ist auch die Bedienung
Die Einstellung des Fahrmodus, die Kontrolle des Ladezustandes, das Ein- und Ausschalten – das alles erfolgt mit nur einem einzigen Knopf auf dem Oberrohr, welcher durch einen Leuchtring in unterschiedlichen Farben dem Fahrer ein visuelles Feedback über den gewählten Unterstützungsstufe und den Akkustand gibt. Auch bei der Commuter-Variante des Desiknio lässt über diesen einen Knopf zusätzlich sich die Beleuchtung ein und ausschalten. Mehr „Integration“ geh nicht. Mehr Minimalismus auch nicht. Das Desiknio kommt völlig ohne Display, zusätzliche Bedienschalter am Lenker oder gar Speichenmagnete aus. Wer trotzdem die volle Kontrolle möchte, kann sein Smartphone mittels Bluetooth mit dem Desiknio verbinden. Über eine App kann sich der Fahrer Geschwindigkeit, Füllstand der Batterie oder Reichweite anzeigen lassen. Ein klitzekleines Detail verrät viel über den Perfektionismus von Joaquin Cortez: die Magnete für die PAS-Steuerung sind im Lockring des wunderschön gefrästen Hinterrad-Ritzels versteckt. Der Sensor sitzt unsichtbar im Hinterbau.
Piniongetriebe am E-Bike
Wer mit nur einem Gang nicht auskommt, der kann beim Desiknio eine Pinion-Getriebenabe dazuwählen. Und genau diese Kombination macht das Desiknio einzigartigen im riesigen Markt der Pedelecs: kein anderer Hersteller bietet die Kombination von integriertem Akku, Gates-Riemen und Pinion-Nabe an. Die Kombination von integriertem Akku und Pinion-Aufnahme im Rahmen stellt technisch noch einmal ganz besondere Anforderungen. Das zeigt auch den technischen Anspruch, den das Desiknio erfüllt. Nicht nur den optischen. Desiknio hat sich die Kombination Gates-Drive, Pinion-Getriebe und vollintegrierter Akku daher auch mit mehreren Patenten schützen lassen. Die Einzigartigkeit setzt sich auch i Produktionsprozess fort: jedes Desiknio wird im Custom-Build-Prinzip nach Bestelleingang für den jeweiligen Kunden gebaut. Der darf aus insgesamt 4 Standardfarben oder einer schier endlosen Liste von Wunschfarben wählen. Die Lieferzeit für diese Exklusivität beträgt nur 4-8 Wochen. Da können sich andere Hersteller mit ihren „Von-der-Stange-Rädern“ gerne eine Scheibe von abschneiden.
Der Motor geht kräftig zur Sache
Zurück zum Rad. Wie fährt es sich denn nun? Der MAHLE Motor EBM M1 leistet gesetzeskonforme 250 Watt Dauernennleistung und eine Spitzenleistung von 400 Watt. Das Drehmoment von „nur“ 40Nm geht dabei wesentlich kräftiger als vermutet zur Sache und liegt gefühlt auf dem Niveau eines BOSCH Active Line Plus. Das bestätigt eine alte Weisheit: Hecknabenmotore sind kräftiger, als es auf dem Papier scheint. Der Motor schiebt kernig an bis zu je nach Unterstützungsstufe gewählten Geschwindigkeit. Da das Deskinio leider nur kadenzgesteuert, nicht aber drehmomentgesteuert arbeitet, ist dies der einzige Wermutstropfen an dem ansonst nahezu perfekten Bike. Was mir auffiel: Sitzposition ist ein unglaublich komfortabler Kompromiss aus kompakt und sportlich. Das Desiknio lenkt sehr direkt aber nie nervös ein. Lenkbefehle werden spielerisch mit Schenkeldruck umgesetzt. Trotzdem klappt der Lenker bei freihändiger Kurvenfahrt nicht selbstständig ein. Ein Zeichen für einen gut gewählten Lenkkopfwinkel und Nachlauf. Das Bike liegt einfach satt und souverän auf der Straße. Die breiten Continental Contact Sport bieten ausreichend Dämpfung. Und der Motor schiebt sofort und ohne Verzögerung auf Pedaldruck an. Es hat unglaublich Spaß gemacht, mit diese Bike schnell unterwegs zu sein – auch deutlich über die Unterstützungsgrenze von 25km/h hinaus.
Das Desiknio kommt in drei Varianten
Firmeninhaber Joaquin Cortez bringt von seinem Desiknio eine Singlespeed-Variante für den Großstadthelden, ein Pinion-Version für den modernen Nomaden und eine Gravel-Variante für den schnellen Rennradler abseits des Asphaltbandes. Bei der Pinion-Variante kommt entweder die C1.6 Tretlagerschaltung mit sechs Gängen (und einer Gesamtübersetzung von 295%) oder auf Wunsch die C1.9XR mit neun Gängen (und einer Gesamtübersetzung von 568%) zum Einsatz. Die Gravelvariante auf schicken Brown-Wall-Tires von WTB kann zwar auch mit der 9-Gang Pinion geordert werden – aber deutlich mehr Sinn macht die XT Kettenschaltung an diese Bike. Dann wiegt es vor allem auch nur 12,8kg. Ein echtes Leichtgewicht.
Die Preise für so viel Exklusivität gepaart mit so wenig Gewicht fangen beim Singlespeed mit 3.590,- Euro an. Sowohl Singlespeed, als auch Pinion-Variante können jeweils als Urban-Version oder Classic-Version geordert werden. Letztere besitzt polierte anstatt mattschwarzer Parts und Brooks Griffe und Lenker. Diese von mir gefahrene Variante als Singlespeed-Classic kostet 3.890,- EUR. Die Modelle mit Pinion 6-Gang Getriebe kosten jeweils 1.000,- EUR Aufpreis. Macht beim Pinion Urban also 4.590,- EUR bzw. beim Pinion Classic 4.890,.- EUR. Jede dieser Varianten kann wiederum als Tourer bzw. Commuter mit Schutzblechen, Gepäckträger und lichtstarker Supernova-Beleuchtung geordert werden, was mit 300,- EUR zusätzlich zu Buche schlägt.
Das Gravel-Bike war ein Vorserien-Bike, das nun in Produktion gehen soll. Preise lagen mir bislang noch nicht vor. Da Desiknio Bikes nach Kundenwunsch baut, kann auch keine Obergrenze für den Preis genannt werden.
Die Spanierin unter den E-Bikes
Das Desiknio ist eine echte Spanierin. Sie legt wert auf ein gepflegtes Äußeres. Und schätzt gutes Benehmen. Sie ist temperamentvoll, schlank und jederzeit bereit, einen wilden Flamenco aufs Parkett zu legen. Und schön ist sie. So atemberaubend schön. Dabei aber alles andere als Divenhaft oder zickig. Sie begleitet einen ohne Murren sogar zum Einkauf. Oder zum Fußball mit den Kumpels. In ihrer Brust schlägt ein treues Herz. Aus Deutschland. Vielleicht ist die Spanierin deswegen so genügsam. Richtig minimalistisch gar. Und total pragmatisch. Aber wenn Du sie an der richtigen Stelle berührst, dann erlebst echte Leidenschaft. Und diese richtige Stelle ist der LED-Knopf auf dem Oberrohr…