GHOST hat mit dem Hybride SL AMR X nach eigenen Angaben einen »Smart Ass Alleskönner, mit der Extra-Portion Abfahrtspaß« geschaffen. Was bitte, soll das sein? Nun, ich werden es herausfinden, denn GHOST hat zum Testen an den Ledrosee eingeladen.
Kennst Du das Land, in dem die Zitronen blühn?
Der türkis schimmernde Ledrosee ist quasi die kleinere, hübschere Schwester des Gardasees und liegt malerisch eingebettet in einem stark bewaldeten, bergigen Tal im südlichen Trentino, direkt an der Grenze zur Lombardei. Das Val di Ledro bietet nur 10Kilometer vom meist überlaufenen Gardasee ein wahres Eldorado für MTB-Fans. Insgesamt 218km Bikestrecken und über 10.000 Höhenmeter auf ausgeschilderten Wegen – von breiten Radwegen bis hin zu technisch anspruchsvollsten Singletrails – gilt es zu erkunden. Einige Tourenklassiker wie der Passo Tremalzo und Bocca di Trat gehören geografisch zum Ledrotal – werden aber fälschlicherweise dem Gardasee zugeschrieben. Berühmt und sehenswert ist auch der Ponale Radweg nach Riva, mit seinen spektakulären Aussichten über die schroffen Steilhänge des Ufers des Gardasee.
Rund um den Ledrosee gibt es jede Menge anspruchsvoller Trails
Dieses Terrain ist perfekt für das neue HybRide SL AMR X, welches GHOST mir zur Verfügung stellt. Ein Blick auf diese atemberaubende Kulisse und ich merke, wie ich unbedingt auf die Trails will. Ich schaue mich um. In der Testcrew von GHOST um Maxi Dickerhoff bin ich der Rookie. Kann ich da mithalten? Bügelt das Rad auch meine Fahrfehler aus? Brauche ich Haftcreme für meine dritten Zähne? Ich bin sehr gespannt.
Local Guides führen uns um 5.00h morgens auf den Monte dei Pini, auf dessen Gipfel ein Frühstück bei Sonnenaufgang auf uns wartet. Noch etwas schlaftrunken warte ich am GHOST Teamzelt auf die Ausgabe des Bikes und steige steige auf. In der Dunkelheit wirkt das GHOST SL AMR X mystisch und geheimnisvoll. Es bleibt kaum Zeit, das Bike genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Motto heisst: fahren – nicht gucken! Unser Guide Werner ruft zum Aufbruch. Nach nur wenigen Metern muss ich bereits grinsen: das GHOST SL AMR X passt wie ein Turnschuh. Schnell wird das Terrain steiler. Bergauf zeigt das GHOST was es kann: der SHIMANO geht leise und unaufällig ans Werk. Seine Kraftentfaltung ist wesentlich subtiler als beim BOSCH-Motor, aber gefühlt genauso kraftvoll. Ich war skeptisch, mit den nur drei Unterstützungsstufen Eco, Trail und Boost auszukommen. Meine Sorge war unberechtigt.
Der Shimano E-8000 ist wohlerzogen, aber kräftig
Der Eco-Modus spart Strom und unterstützt nur sanft. Damit fühlt sich das HybRide SL AMR X fast wie eine konventionelles MTB an. Reichweiten bis zu 120Kilometer solle möglich sein, wie der Hersteller verspricht. Der Trail-Modus beim Shimano ist wie der E-MTB Modus bei BOSCH eine variable Unterstützungsstufe, welcher die Motorpower abhängig vom Pedaldruck des Fahrers bereit stellt. Und Power hat der Shimano im Trailmodus genügend! Im GHOST HybRide SL AMR gibt er sich noch einen Tick stärker und im Boost noch eben Hauch sanfter, als ich es es im Focus Jam2 getestet habe. Nach Rücksprache mit den Entwicklern wurde der Motor aber nicht eigens für GHOST abgestimmt, sondern bekam einen Tag vor dem Testride noch das neueste Update von Shimano. Beim Boost-Modus frage ich mich, warum ihn Shimano nicht Beast-Modus nennt. Der Motor schiebt stark an und unerstützt auch höherer Kadenzen. Dabei wirkt er trotzdem nicht ruppig. Der Antrieb ist perfekt abgestimmt. Die maximale Unterstützungsgeschwindigkeit ist mit diesem Motor keine Barriere. Die Unterstützung des Shimano blendet weich aus, so dass man locker über 25km/h pedalieren kann. Ein Tretwiderstand ist quasi nicht vorhanden. Reisegeschwindigkeit auf Asphalt von 32km/h bis 35km/h gehen verblüffend einfach.
Das Display ist puristisch klein
Die Beidenung des Antriebs erfolgt intuitiv. Die Platzierung des Displays wurde schon genügend gelobt und ich muss zugeben: am rechten Eck zwischen Vorbau und Lenker sieht das Cockpit aufgeräumt und gut aus. Die Bedienung der SRAM EX1 Schaltung erfolgt nach dem bekannte Muster. Die Gänge schalten sauber und geschmeidig. Auch unter Last. Die von SRAM eigens für eBikes entwickelte 8-fach Gruppe funktioniert erstaunlich gut zusammen mit dem Shimano Motor. Wie sich die EX1 fährt, hatte ich ja bereits in einem extra Fahrbericht geschildert. A propos schalten: Shimano gestaltet und platziert den Wählhebel für die Unterstützngsstufen wie den Trigger eines Umwerfers. Die ansonsten immer erklärungsbedürftige Wahl der Unterstützungsstufen funkioniert für alle Umsteiger eines klassischen MTBs also völlig intuitiv. Der große Vorteil: die beiden Taster des Triggers sind ohne hinzuschauen mit dem Daumen zu finden. So kann der Blick auf dem Trail bleiben. Doch das fällt schwer bei dieser tollen Aussicht über den Ledrosee. Wir gewinnen rasch an Höhe.
Die Formensprache weckt Begehrlichkeit
Pünktlich zum Sonnenaufgang kommen wir auf dem Monte die Pini an. Bei einem ersten Kaffee, frischem Rührei und Croissants habe ich im sanften Gegenlicht das erste Mal die Gelegenheit zu bestaunen, was ich denn da nun fahren darf:
Das neue GHOST SL AMR X ist filigran und sexy. Ein edler Carbonrahmen zeigt “klare Kante” und lässt den Zeiger der Waage trotz üppiger Reifen und solider Ausstattung bei nur 21kg einpendeln. Auf den zweiten Blick fällt auf: das SL AMR X steht auf unterschiedlich großen Laufrädern. Vorne sorgt ein 29”-Laufrad für gutes Überrollverhalten und beste Lenkpräzision, während hinten ein stabiles 27,5”-Rad mit Plus-Reifen dafür sorgt, dass die Kraft des Motors auf den Untergrund übertragen wird. Der optisch unauffällige SHIMANO E8000 mit geringem Q-Faktor dank geringer Einbaumaßen unterstützt den optisch filigranen Gesamteindruck des Bikes und spendiert ihm mit 455mm relativ kurze Kettenstreben. Zusammen mit dem abfahrtsorientiertem Lenkkopfwinkel von 65,6° ergibt der Laufrad-Mix einen guten Kompromiss aus Laufruhe und Agilität. Der Akku ist zwar ein Rahmenakku in klassischer Form – wird aber semiintegriert vom Rahmen aufgenommen. Das macht ihn optisch nur halb so groß. Und sorgt für eine tiefen Schwerpunkt und leichtes Gewicht. Fahrspaß verspricht auch das relativ lange Oberrohr mit kurzem Vorbau. Das Cockpit ist kurz und breit.
Die Ausstattung lässt keine Wünsche offen
Der Blick schweift weiter über’s Bike und bleibt am hinteren Federbein hängen. Es ist ein RockShox Super Deluxe Coil mit Stahlfeder und Ausgleichsbehälter. Die Stahlfeder hält das Bike hoch im Federweg und lässt den Hinterbau trotzdem sensibel ansprechen und progressiv einfedern. Smooth im Uphill für optimale Traktion. Und selbst auf übelstem Terrain wie steinigen, ausgewaschenen Flussbetten, arbeitet die Federung definiert und gibt Feedback. Die 145mm echter Federweg im Heck, welche von GHOST mit 140mm deklariert werden, fühlen sich nach mehr an. Die 160er Lyrik RCT3 mit Boost-Standard hat ein altes und fast vergessenes Feature aus dem MTB-Sport parat: den sogenannten Travel-Adjust. Zu Deutsch: die Gabel ist per Dual Position auf 130mm absenkbar. Die Idee dahinter ist verblüffend einfach und macht im E-MTB unglaublich viel Sinn: in Uphill-Sektionen wird die Front gesenkt. Der Lenkkopfwinkel und Sitzrohrwinkel werden steiler, das Bike spielerischer und der Schwerpunkt wandert weiter nach vorne. Das GHOST SL AMR X klettert dadurch wie die sprichwörtliche Bergziege auf der Jagd nach dem Edelweiß.
Das SL AMR X beherrscht den Upphill…
Die Kletterfähigkeit des Bikes liegt zu einem nicht unwichtigen Teil auch an den Kurbeln: In schwierigen Passagen ist die Ground-Clearance, also der Weg des Fusses vom Pedal zum Boden, meist zu gering. Man bleibt dann mit dem Pedal oft an Hndernissen. hängen. GHOST hat das Problem des Pedal-Clipping durch besonders kurze Kurbeln, die speziell für die SL AMR Modelle gefertigt werden, gelöst. An den Shimano E8000 werden beim HybRide SL AMR X 155 mm, am HybRide SL AMR Rahmen 160 mm Kurbeln verbaut. Das ist tatsächlich ein Novum, denn bislang war für den Shimano nur eine maximal kurze Kurbel von 165mm verfügbar. Eine richtige und weise Entscheidung von GHOST, ihre eigenen Kurbeln zu produzieren. So kann man sich dank üppigem 504Wh Akku auch an Uphill-Herausforderungen weit jenseits der eigenen Komfortzone wagen. Denn kurze Kurbeln haben noch einen weiteren, unschlagbaren Vorteil: man kann in Bergauf-Passagen den Satte tiefer stellen, ohne sich bei Pedalieren die Knie die Brust zu rammen. Tief und kompakt auf dem Bike sitzend die steiolste Passage erklimmen – das ist eMTB at its best. Und das GHOST kann es perfekt.
…wie auch den Downhill
Auch Bergab zeigt sich das Fahrwerk von seiner beste Seite. Auf den vorwiegend S2 bis S3 Trails fühlt sich das HybRide SL AMR X in seinem Element. Als AllMountain ist es der der ideale Begleiter für die gesamte Bandbreite, welche einem in einem Bike-Paradies wie dem Ledrosee erwartet: das “SLAMMER” rollt mit verspielter Leichtigkeit von Radwegen bis hin zu verwurzelten und stark verblockten technischen Trails. Dabei wirkt es jederzeit agil und kontrollierbar – jedoch nie nervös. GHOST schaft das beim HybRide SL AMR X durch ein relativ niedriges Tretlager. Der Bodenfreihei tut dies kein Abbruch, weil das Bike aufgrund des Stahlfederdämpfers schön hoch i Federweg steht. Alls ist schlüssig und sinnig an disem Rad. Und so fügen sich die vielen Details zu einem extrem gut funktionierenden Ganzen.
Das SL AMR X ist spielerisch kontrollierbar
Ich bin das SL AMR in Größe M gefahren. Der Sattelrohrwinkel von 75,2° und der Reach von 430mm lassen das GHOST ungkaublich kompakt wirken. Man sitzt sehr versammelt und zentral integriert im Bike. Das liegt am tiefen Tretlager und auch am 35mm kurzen Vorbau, was dem Fully eine spielerische Leichtigkeit mitgibt. Das Bike klebt dank 2.5″ breitem Maxxis Shorty vorne und 2.8″ breitem Maxxis DHR II förmlich auf dem Trail, während meine Synapsen längst STOP schreien. Das Limit setzt mein Fahrkönnen, wie ich feststelle. Nicht das Bike. Mir als „Freizeit-Trail-Surfer“ bietet das GHOST HybRide SL AMR X eine Menge Reserven. Ist das Bike deswegen „eine Nummer zu groß“ für mich? Ein klares Nein. Es vermittelt mir jederzeit ein Gefühl von Sicherheit. Und weckt den Wunsch in mir, mich fahrtechnisch noch weiter zu verbessern. Ich fühle mich im positiven Sinn von diesem Bike herausgefordert.
Das Prinzip “E-MTB” konsequent zu Ende gedacht
Wieder am Ufer des Ledrosee angekommen, kommt das “Slammer” zurück in das Teamzelt. Akku laden und Feinabstimmung für die nächste Ausfahrt. Ich betrachte es noch eine Weile. „Real WYSIWYG”, denke ich. „What you see is what you get!“ Der optische spielerische Auftritt wird fahrtechnisch sowohl vom Motor, als auch von Fahrwerk perfekt umgesetzt. Das Bike ist stimmig. Die Summe der Detaillösungen, wie Mixed-Laufradgrössen, Stahlfederbein, 160er Gabel mit Travel-Adjust auf 130mm, Shimano-Motor mit 155mm Kurbeln – verbunden mit der Ausstattung wie Carbon-Rahmen, Laufrädern von DT Swiss, komplette Ausstattung von SRAM, wie die EX1 Schaltung und die Code Vierkolben-Bremse, machen das GHOST HybRide SL AMR X zu einem absolut schlüssigen Gesamtkonzept und derzeit einzigartig am Markt.
GHOST macht also ernst und greift an. Uphill wie Downhill. Aber auch preislich. Die Carbon-Version des „Slammer“ mit 140/140 Fahrwerk beginnt bei günstigen 4.799,- EUR. Für die Carbon-Variante mit 160/140mm werden ab 5.499,- EUR aufgerufen. Das von mir gefahrene Topmodell S7.7 kostet 6.499,- EUR. Absolut fair für ein solches Bike.
Ganz schön Bad Ass dieser Smart Ass
Das HybRide SL AMR X ist eine spielerische Trailrakete mit unglaublicher Uphillfähigkeit und brutaler Downhill-Performance. GHOST deklariert das „Slammer“ als All-Mountain. Doch für dieses Bike muss eigentlich eine zusätzliche Kategorie zwischen Enduro und AlMountain gefunden werden. Ich würde es gerne “Hard-AllMountain” nennen. Das heißt: es ist die Enduro für Fahrer, die nicht vom Untergrund entkoppelt sein wollen durch 180mm Fahrwerke. Bzw das AllMountain, das deutlich mehr kann, als der Federweg von 160/140 Millimetern vermuten lässt. Aber – streiten wir uns nicht um Worte. Ein paar Leute bei GHOST haben sich ernsthaft Gedanken gemacht. Egal wie man das HybRide SL AMR deklariert. Es funktioniert einfach perfekt.
Das “Slammer” definiert den Begriff E-Mountainbiking neu.
Ernsthaft? Ja. #Ernsthaft…
Daten GHOST HyBride SL AMR X
Rahmen: Carbon
Federweg: 160mm/145mm
Gabel: RockShox Lyrik absenkbar auf 130mm
Dämpfer: RockShox Super Deluxe Coil
Schaltung: SRAM EX1
Bremsen: SRAM Code 203/180mm
Laufradgrößen: 29″ / 27,5″ (vorne/hinten)
Reifen: Maxxis Shorty 2.5″ / Maxxis DHR II 2.8″ (vorne/hinten)
Laufräder: DTSwiss 1700 Spline Boost-Standard
Motor: Shimano E8000
Kurbeln: GND51 155mm
Vorbau: GND51 35mm
Griffe: Ergon
Sattel: Ergon
Lenkkopfwinkel: 65,6°
Sattelrohrwinkel: 75,2°
Gewicht: 21kg
Preis: ab 4.799,- EUR