Im allgemeinen Sprachgebrauch meint man mit einem E-Bike ein zulassungsfreies Elektrofahrrad, bei dem der E-Motor den Fahrer während des Pedalierens unterstützt. Per Definition also ein “Pedelec”. Im engeren, rechtliche Sinn beschreibt der Begriff “E-Bike” jedoch die zulassungspflichte Variante eines “Zweirades mit Elektromotor”. Also quasi ein E-Moped oder gar E-Motorrad. Wir haben uns die Schnittstelle zwischen Elektro-Fahrrad und E-Motorrad einmal genauer angesehen. Und sind auf ein paar interessante “Grenzgänger” zwischen diesen beide Welten gestoßen.
Immer mehr junge Menschen entdecken das E-Bike für sich – und damit eine neue Dimension des Radfahrens. Für einige stellt sich die Frage, ob das E-Bike einen Roller oder gar ein Motorrad ersetzen kann. Oder ob es sinnvoll ist beide Fahrzeuge nebeneinander zu nutzen. Gibt es E-Fahrräder, die im Charakter ein Motorrad sind? Oder gar rechtlich als solche gelten?
Motorrad oder Elektro-Fahrrad – eine rechtliche Definition
Zwischen dem klassischen Pedelec und einem Motorrad gibt es signifikante Unterschiede. Das Motorrad bietet eine größere Reichweite und kann eine deutlich höhere Geschwindigkeit erzielen. Und es gilt: Zulassungspflicht, Versicherungspflicht, Kennzeichenpflicht, Führerscheinpflicht und Helmpflicht. Die rechtliche Grenze zwischen einem zulassungspflichtigen Kraftrad und einem zulassungsfreien Fahrrad (darunter fallen auch Pedelecs) ist sehr klar definiert: Wenn sich das Zweirad aus eigener Kraft über 6km/h fortbewegen kann – dann ist es ein Kraftfahrzeug! Das genau ist übrigens genau der Grund, warum die Schiebehilfe bei einem Pedelec maximal 6 km/h erlaubt. Das Pedelec ist nur deswegen bis 25 km/h zulassungsfrei, da es die Tretbewegung des Fahrers unterstützt. Eine Steuerung per Daumengas macht es unweigerlich zu einem Kraftfahrzeug.
Motorrad oder Elektrofahrrad – auch eine Frage des Designs
Damit haben wir die rechtliche Seite geklärt. Aber es gibt ja auch noch einen anderen Ansatz. Den über das Design bzw. das Funktionsprinzip. Und da gibt es durchaus Hersteller, bei denen die Grenzen zwischen einem Pedelec und einem Motorrades verschmelzen. Elektro-Fahrräder, die wie Motorräder aussehen und Elektro-Motorräder, die nach dem Prinzip eines Pedelec funktionieren.
Zunächst einmal: Der Begriff “Pedelec” beschreibt keine Kategorie von zulassungsfreien Elektrofahrrädern. Dieser Terminus Technicus ist ein Kofferwort aus den Begriffen “Pedal”, “Electric” und “Cycle” und beschreibt völlig losgelöst von rechtlichen Parametern das grundsätzliche technische Prinzip, dass sich ein Elektromotor in Gang setzt, wenn der Fahrer pedaliert. Es ist abhängig von der Stärke des Motors und der erzielbaren Geschwindigkeit, ob es sich das Fahrzeug dann rechtliche um ein zulassungsfreies Fahrrad, oder um ein zulassungspflichtiges Motorrad handelt.
Neue Pedelecs mit Elementen des Motorrades
Fangen wir mit dem zulassungsfreien Pedelec an, das wie ein Motorrad aussieht. Es gibt überwiegend junge Firmen, die ihr Elektrofahrrad einen klassische Motorrad-Look verpassen. Diesen Trend kennt man bereits von Fahrrädern. Es sind die Beach-Criuser bzw Chopper-Bikes, die meist das Aussehen alter Motorräder kopieren. Die Nähe dieser beiden Fahrzeuge zueinander ist genetisch bedingt – basierten frühe Motorräder doch manchmal sogar auf ungefederten Fahrradrahmen.
Der Rebell: Ruff Cycles “The Ruffian”
Der deutsche Fahrradhersteller hat sich an ein Modell gewagt, das der Optik eines alten Motorrades recht nah kommt. Der Antrieb des Pedelecs stammt von Bosch. Es ist ein zulassungsfreies Pedelec, das eine Verbeugung vor dem Design alter Motorräder aus den 1930er Jahren ist: Ein treppenförmiger Tank (in welchem sich der Akku versteckt), breite Weißwandreifen, bequemer Ledersattel und ein überdimensionierter Scheinwerfer. Die Doppelbrückengabel ist ohne jede Funktion – setzt aber das Thema “Motorrad” stilistisch perfekt um.
Die Sitzposition auf dem Ruffian ist ebenso “Choppermäßig”: Arme und Beine sind weit nach vorne gestreckt, das ergibt eine ziemlich coole, aber leider auch unbequeme Haltung in Form eines Klappmessers. Erträglich wird diese Sitzhaltung tatsächlich erst mit dem Elektroantrieb. Wer gerne lässig durch die City cruist, wird im Ruffian ein E-Bike finden, dass für verdrehte Köpfe sorgt. Der Preis für das E-Bike startet bei knapp 4.700 EUR.
Der Rayvoluzzer: Rayvolt “Cruzer”
Deutlich schlichter ausgestattet, aber mit einem ähnlichen Design-Anspruch sind E-Bikes der spanischen Marke Rayvolt. Die Firmen-Philosophie “Neue Wege in der modernen Fortbewegung gehen” muss man noch ergänzen um den Nebensatz: “Mit dem Vintage-Design der 1960er Jahre!” Beim Cruzer verschmelzen klassisches Motorrad-Design der “Scrambler” der 60er Jahre mit dem Funktionsprinzip eines zulassungsfreien Pedelec. Eine lässig-lockere Fortbewegung für alle, die ein Faible für alte Motorräder haben. Der Cruzer von Rayvolt kostet etwa 3.000 EUR.
Harley-Davidson entwirft E-Bike in Retro-Optik
Die Retro-Optik hat sich bei vielen Fahrrädern und E-Bikes bewährt. Traditionsreiche Motorradhersteller wie Harley Davidson können natürlich in der eigenen Designabteilung stöbern und sich ihrer Wurzeln erinnern. Harley-Davidson hat ein zulassungsfreies Pedelec entworfen, dass eine Hommage an das erste Motorrad darstellt, welches die Marke 1903 unter dem sinnigen Namen “Modell 1” baute. Das Serial 1 Cycle getaufte E-Bike lässt sich ab Frühjahr bestellen. Als Besonderheit wurde ein eigens entwickelter Antrieb verbaut. Preise starten je nach Modell ab 3.500,- EUR. Ab Frühjahr 2021 sollen die Harley-Modelle auch in Deutschland verfügbar sein. Bestellbar sind sie schon jetzt.
Schnell unterwegs mit der spanischen Marke Bultaco
Klassische Pedelecs fahren mit einer maximalen Geschwindigkeit von 25 km/h. Doch es gibt leistungsfähige Motoren, die eine höhere Geschwindigkeit erreichen können. Bultaco, eine ehemalige spanische Motorradmarke war bekannt für leichte Sportmotorräder. Was lag näher, als den Anspruch an leichte Motorräder auf das E-Bike zu transferieren? Die Wiedergeburt der Marke gelang mit einem leichten S-Pedelec, dessen Motor bis 45 km/h unterstützt. In “Albero” getauften Modell vereinen sich Elemente aus dem Motorrad und Fahrrad. Ein vollgefedertes Fahrwerk mit Doppelbrückengabel, dazu leistungsfähige Bremsen – und einen Pedalantrieb.
Das eRockit – Ein Motorrad mit Tretkurbeln
Noch deutlich näher am Motorrad bewegt sich das aus Deutschland stammende Hybrid-Motorrad eRockit, das 90 km/h schafft – und zwar während der Fahrer pedaliert. Im Gegensatz zu konventionellen Pedelecs gibt es keine mechanische Energieübertragung von Tretkurbel ans Hinterrad. Der Fahrer pedaliert in einen Generator, der die Leistung des Elektromotors reguliert. Anstatt eines Gasgriffs wird die Geschwindigkeit also über die Pedale gesteuert. Ein interessanter Ansatz – der zugegeben etwas seltsam aussieht, wenn der Fahrer bei 90 km/h locker und ohne jede Anstrengung pedaliert.
Das eRockit kann 5 kW/7 PS Dauer- sowie 16 kW/22 PS Spitzenleistung liefern und erreicht eine Geschwindigkeit von 90 km/h. Die Zulassung erfolgt als Leichtkraftrad, ansonsten wäre es wie ein Casino ohne Lizenz. Die Preise beginnen ab 12 000 EUR.
Außen Fahrrad, innen Moped
Klassische Mopeds erreichen eine Geschwindigkeit, die im Bereich von 50 bis 60 km/h angesiedelt ist. Govecs, ein deutscher Hersteller, hat sich bei der Entwicklung des “Elmoto” von diesen Leichtkrafträdern inspirieren lassen.
In Bezug auf die Optik sieht das Zweirad einem E-Bike täuschend ähnlich. Es ist angenehm leicht. Der Preis ist bei etwa 4.000 EUR angesiedelt.
MotoCross-E-Bikes nur für abgesperrte Strecken
Das Sur-Ron Firefly sieht aus wie ein überdimensioniertes Mountainbike. Die Elektroenduro bringt ohne integrierten Akku nur 47 Kilogramm auf die Wage, was es perfekt für den Spaß abseits befestigter Wege macht. Doch Vorsicht: Das Sur-Ron ist ein reines Sportgerät. Es ist aufgrund seiner Leistung und Geschwindigkeit ein Kraftfahrzeug – hat aber keine Chance auf eine Zulassung. Eine Benutzung darf also nur auf abgesperrtem Privateigentum erfolgen.
E-Enduro – hier verschwimmen die Grenzen zwischen einem Motorrad und dem Fahrrad
Zu den interessantesten Hybridfahrzeugen, die Elemente des Motorrades und des Fahrrades auf eine beeindruckende Weise vereinen, gehört die E-Enduro des Herstellers Bykstar. Das Fahrzeug ist mit einem Gewicht von 47 Kilogramm angenehm leicht. Von der Bauart her handelte sich wie beim Sur-Ron um ein nicht zulassungsfähiges Offroad-Bike. Die Leistung beträgt 12 kW/16 PS. Das Zweirad soll etwa 7.000 EUR kosten.
Mit dem Sur-Ron und dem Bykstar sind zum Beispiel Motocross-Parks in der Nähe von Wohnsiedlungen möglich. Kein Lärm. Keine Abgase. Ein Beitrag zu einem saubereren Motorsport?